Die vergangenen 5 Jahre haben nachhaltigen Kapitalanlagen zum Durchbruch verholfen
Martin Braun, BÖAG Börsen AG, Börse Hannover (www.boersenag.de)
Wo stehen wir heute?
Wenn wir heute über das Thema Nachhaltigkeit sprechen, dann fallen uns spontan mindestens ein halbes Dutzend Begriffe ein, die die Welt und damit uns alle bewegen. „Klimawandel, Hunger & Armut, Plastikmüll, Fleischkonsum, Wasserverbrauch“. Die Liste der kritischen Bereiche, die unser tägliches Leben beeinflussen ist lang und wird fast täglich länger. Ein weiter so wie bisher kann auf Dauer nicht funktionieren. Unser Handeln muss deshalb die Lebensbedingungen der gegenwärtigen und insbesondere der folgenden Generationen sichern und schützen. Das betrifft nicht nur das individuelle Konsum- und Sozialverhalten, sondern auch die Bereitschaft jedes einzelnen, Verantwortung zu übernehmen. Dabei wird Nachhaltigkeit immer mehr zur treibenden Kraft für notwendige Innovationen und zum Maßstab für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.
Welchen Beitrag kann der Finanzsektor leisten?
Auch die Finanzindustrie ist gefordert und muss ihren Beitrag leisten. Innovationen führen zu Investitionen, die es zu finanzieren gilt. Von Erneuerbaren Energien über effizientere Produktionsprozesse bis hin zur Abfallvermeidung ist das Spektrum der zu finanzierenden Unternehmen und Projekte vielfältig. In den zurückliegenden Jahren hat sich mit zunehmender Geschwindigkeit ein Kapitalmarkt für nachhaltige Finanzprodukte etabliert, der nicht nur das notwendige nachhaltige Kapital beschafft, sondern einem breiten Anlegerpublikum auch noch lukrative Anlagemöglichkeiten mit attraktiven Renditen ermöglicht. Was vor 20 Jahren eher noch belächelt wurde, ist heute in vielen Fällen Realität: Nachhaltige Investments schlagen konventionelle Anlagen in Sachen Performance. Ein Beispiel dafür: Der Global Challenges Index der Börse Hannover erzielte seit seiner Auflage im September 2007 eine Performance von kumuliert 225 Prozent. Damit schlägt er praktisch jeden Aktienindex, egal ob DAX, EuroStoxx oder MSCI World. Und das gute Gewissen gibt es für Anleger als doppelte Dividende noch gratis dazu.
Welche Rolle spielen die Börsen?
Eine wichtige Rolle auf dem Markt für nachhaltige Finanzprodukte kommt auch den Wertpapierbörsen zu. Als Finanzintermediäre zwischen Emittenten und dem Investorenpublikum führen sie Angebot und Nachfrage in dem stark wachsenden Markt zusammen. Bereits heute werden zahlreiche Nachhaltigkeitsfonds, Green Bonds und Aktien an den Börsen gehandelt, Tendenz weiter steigend. Auch das Segment nachhaltiger Indizes, auf deren Grundlage Fonds und Zertifikate emittiert werden können, erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Grüne Börsen, wie zum Beispiel in Luxemburg, sind bereits Realität und dürften auch in Deutschland nur noch eine Frage der Zeit sein.
Der Trend geht weiter
Spätestens seit dem Erscheinen des EU-Aktionsplans im März 2018 ist der Markt für nachhaltige Geldanlagen durch eine bis dahin nicht gekannte Dynamik gekennzeichnet. Die verpflichtende Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz von Privatanlegern im Rahmen der Anlageberatung wird zukünftig einen positiven regulatorischen Effekt auf die Nachfrage bei nachhaltigen Finanzprodukten haben. In den fünf Jahren von 2014 bis 2018 stieg das Volumen der nachhaltigen Geldanlagen nach Angaben des FNG allein in Deutschland bereits von 127,3 auf 219,1 Mrd. Euro, das entspricht einem Plus von 72 Prozent. Darin enthalten sind nachhaltige Investmentfonds/ETFs mit 44,7 Mrd. Euro. In Anbetracht eines Geldvermögens privater Haushalte in Deutschland von mehr als 6.000 Mrd. Euro erreichen die nachhaltigen Geldanlagen allerdings nur einen Anteil von rund 4 Prozent. Es spricht jedoch einiges dafür, dass dieser Anteil deutlich gesteigert werden kann – dem zunehmenden Nachhaltigkeitsbewusstsein und der Regulierung sei Dank!